Angst um die Arbeit - ein Faktor für Pflegebedürftigkeit im Alter?

Veröffentlicht am 29.08.2017 in Pressemitteilung

Allgemein gilt, die Zahl der Pflegebedürftigen wird bundesweit steigen. Nach einer Expertise des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, werden die erforderlichen Pflegefälle von heute 2,5 Millionen, auf über 4,5 Millionen im Jahre 2050 ansteigen, Obgleich die Bevölkerung entsprechend der Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes von 80,8 Millionen im Jahre 2013 auf 76,1 Millionen im Jahre 2050 sich verringern wird, wird der Anteil der Älteren über 60 Lebensjahre, von 21,9 Millionen im Jahre 2013 auf 28,6 Millionen oder 37,6 Prozent der Gesamtbevölkerung, ansteigen. Das Ergebnis des sogenannten Demografischen Wandels.

Doch nach diesen Zahlen dürfte die Anzahl der Pflegebedürftigen proportional jedoch nur auf  3,26 Millionen ansteigen, das bedeutet, dass in den Zahlen des Wirtschaftsinstitutes ein überproportionaler Anstieg der Pflegebedürftigkeit eingerechnet wurde, der nicht allein auf die längeren Lebenserwartungen der entsprechenden Jahrgangskohorten zurückzuführen ist.

Denn durch die Weiterentwicklungen auf dem medizinischen Sektor und daraus folgernden Präventivmaßnahmen, durch welche die Menschen nicht nur länger, sondern auch gesünder leben, müsste eigentlich die Pflegenotwendigkeit in der Zukunft sich verringern und nicht überproportional vergrößern. Woran liegt es aber dann, dass die Politik und die Sozialorganisationen von überprozentual ansteigender Pflegebedürftigkeit ausgehen?

Wie so oft bei sozialpolitischen Problemen und den Versuchen sie zu lösen, werden die Probleme und deren Verminderung diskutiert und behandelt, weniger deren Ursachen untersucht und beseitigt. Pflegenotwendigkeit entsteht oft auf Grund der Lebensart, der Lebensbeanspruchung vor der Erkrankung, und da ist die Beanspruchung im Arbeitsleben ein nicht zu vernachlässigender Faktor!

 

Arbeit macht nicht nur glücklich, sie kann aber auch krank machen.

Arbeit zu haben wirkt sich generell durchaus positiv auf die Psyche und auf die Physis des Menschen aus. Die Qualität der Arbeit, des Arbeitsumfelds, der Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft, eine gerechte und auskömmliche Entlohnung, sind wichtige Faktoren, dass aus oder durch Arbeit keine seelisch oder körperliche (Über-)Belastung wird, und dazu gehört auch ein ausgeglichenes Verhältnis  von Arbeitsbelastung zur möglichen freien Zeit, Zeit für Familie und Geselligkeit. Denn der Mensch lebt nicht nur für die Arbeit!

Doch die heutige Arbeitswelt fordert von den arbeitenden Menschen immer mehr 100-prozentigen Einsatz und absolute Verfügbarkeit, immer mehr Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an moderne Entwicklungen, bei immer mehr Unsicherheit in der Beschäftigungskonstanz und Lohnentwicklung. Für viele wird die Arbeit, die Erhaltung des Arbeitsplatzes zum Primären der Lebensgestaltung, des Lebensinhalts, zu Lasten von persönlicher Freiheit und Lebensgestaltung. Aus dieser Angst um Arbeit entwickeln sich bekannte Stresssituationen, die immer mehr zum Burn-out-Syndrom und Anfälligkeit für Krankheiten führen. Denn wer permanent Druck erlebt, wer seinen Arbeitsplatz als unsicher empfindet oder von Veränderung bedroht, kann darunter leiden wie unter einer schweren körperlichen Krankheit. Mit der Folge, dass diese Menschen oft Depressionen bekommen und oft nicht ausreichend schlafen können. Und am nächsten Tag eilen sie entsprechend geschwächt zu ihrer sie überfordernden Arbeitsstelle. Fazit, die Menschen werden durch die Arbeitsbelastung körperlich ausgelaugt, ausgepowert. Ihr Körper, ihre Psyche und teilweise auch ihre physische Leistungsfähigkeit sind dann im Alter beschädigt, ja, die oft vorgetragene Forderung einer längeren Lebensarbeitszeit wirkt kontraproduktiv hinsichtlich gesundheitlicher Substanz in der Lebensphase des Alterns.

Von der hohen physischen und psychischen Belastung einer nicht kontinuierlichen Lebensarbeitszeit, von der Angst bei nur befristeten Arbeitsverhältnissen vor der Zukunft, vor der eventuellen Notwendigkeit mehrere Arbeitsverhältnisse gleichzeitig ausüben zu müssen, um eine ausreichende Lebensgestaltung zu erzielen, um Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung zu vermeiden, wollen wir gar nicht erst sprechen. Sowohl die Überbelastung durch Arbeit, aber auch die Nichtarbeit sind wesentliche Faktoren, die älteren Menschen dahin führen können, ihren Lebensabend mit Pflegebedürftigkeit beschließen zu müssen.

Die Gestaltung und Möglichkeiten des Lebensabschnitts der Arbeit sind wesentliche Faktoren für das Leben im Alter, sind gegebenenfalls die Ursache einer notwendigen Pflegebedürftigkeit. Wenn wir Genossinnen und Genossen in der SPD AG 60plus uns um Probleme und Bedürfnisse der älteren Menschen in unserer Gesellschaft kümmern wollen, wenn wir uns für ein Leben in Würde und Sicherheit im Alter einsetzen, dann müssen wir uns auch mit den Bedingungen in der heutigen Arbeitswelt auseinander setzen, ja, sogar mit einer zukünftigen Arbeitswelt im Zuge der digitalen Veränderungen, der Arbeit 4.0. Politik heißt die Zukunft gestalten, engagieren wir uns für eine sozialere Arbeitswelt, für eine Gesellschaft mit verringerter Pflegebedürftigkeit trotz längerer Lebenserwartung.

Heinrich Keuper

 

 

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